Rund 200 Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem baden-württembergischen Einzelhandel haben sich im November 2017 in Stuttgart zur 11. Fachkonferenz Handel getroffen. Im Fokus der Veranstaltung des Handelsverbandes Baden-Württemberg standen viele praktische Beispiele, wie erfolgreiche Handelsunternehmen den tiefgreifenden Veränderungen im digitalen Zeitalter begegnen und sie aktiv mitgestalten können.
Kein Stein bleibt auf dem anderen in diesen Zeiten. Auch nicht im Handel. Experten und Wissenschaftler diskutieren schon längst Begriffe wie digitale Transformation und digitale Disruption und was sie für die Branche bedeuten. Doch wie sieht das konkret aus? Wie genau gehen Händlerinnen und Händler damit um? Auf diese und andere Fragen hatten die Fachreferenten unterschiedliche Antworten parat – indem sie ihre Geschichten erzählten und ein Feuerwerk an Best-Practice-Beispielen abbrannten.
Auch in diesem Jahr hatte der Handelsverband Baden-Württemberg gemeinsam mit den Partnern der Veranstaltung – der Deutschen Post und der Volksbanken Raiffeisenbanken – Macher aus dem Einzelhandel eingeladen, die diese Herausforderung bereits angenommen haben.
Professor Wolfgang Henseler von Sensory Minds, einem Designstudio für Neue Medien und innovative Technologien wollte brennende Fragen für Händler in diesen Zeiten beantworten. Wie erkennen Sie, wo Sie stehen? Wie setzen Sie die richtigen Meilensteine und Prioritäten? So lauteten nur ein paar dieser Fragen. Denn für Henseler steht fest: „Der Kunde steht ganz klar im Mittelpunkt, und die Nähe zu ihm entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg“, sagte er.
Matthias Mey, Geschäftsführer von mey, einem der marktführenden Anbieter für hochwertige Damen- und Herrenwäsche in Europa, hatte sich die Omnipräsenz über alle Vertriebskanäle zum Thema gemacht. „Eine der wesentlichen Herausforderungen ist die veränderte Art, den Kunden zu betrachten“, sagte er. Sein Unternehmen mit etwa 900 Mitarbeiter und Firmensitz in Albstadt auf der Schwäbischen Alb passe sich den „Bedürfnissen der Kunden ständig an“, so Mey. Denn der Handel sei geprägt von „den größten Veränderungen, die es je gegeben hat“.
Auf Online-Marktplätze als digitale Treiber setzte Stefan Plattner von ebay Berlin den Fokus. Nicht umsonst: ebay blickt auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im E-Commerce zurück und hat damit zahlreiche Erfahrungen gesammelt. Und für den Internet-Marktplatz würden dieselben Regeln wie für den stationären Handel gelten, so Plattner: „Auch wir setzen auf das Einkaufserlebnis“, betonte er.
Mit urbaner Logistik beschäftigte sich Bernd Bienzeisler vom Fraunhofer Institut in Stuttgart. Denn in Zukunft wird nicht nur der Kunde digital, sondern auch die Lieferlogistik. „Die Logistik ist neben dem Handel einer der größten Branchen, die von der Digitalisierung stark betroffen sind“, sagte er. Er stellte ein Gedankenspiel an: „Wie geht man mit dem wachsenden Lieferverkehr um, wenn immer mehr Produkte online bestellt werden?“ In allen großen Innenstädten seien freie Logistikflächen jetzt schon sehr gefragt.
Den Blick auf die Präsentation von Waren warfen Caroline Zöller und Hannah Sondermann von der Retail Academy in Köln. „Wie kann die Digitalisierung die Darstellung von Produkten verbessern?“, lautete eine ihrer Fragen. Schöne Beispiele aus ganz Europa folgten.
Wie ein altes Handwerk eine digitale Renaissance erlebt – darüber sprach Ashkan Yousefi Darani, Gründer und Geschäftsführer von Mr. Ash Tailor Store in Stuttgart, der Maßanzüge fertigt.
Nicht weniger als die Wurst-Revolution rief Markus Eberhart aus, einer der ersten Mitarbeiter des Start-Ups Grillido, das die beiden Jung-Unternehmer Michael Stöffler und Michael Ziegler aus Deckenpfronn am Rande des Schwarzwalds ins Leben gerufen haben. Eberhart berichtete über leichte und gesunde Grillalternativen.
Hermann Hutter, der Präsident des Handelsverbandes Baden-Württemberg, der selbst stationär und online aktiv ist, brachte die zukünftige Herausforderung durch die zunehmende Digitalisierung auf den Punkt:
„Die allumfassende Digitalisierung der Gesellschaft beschert dem Handel eine nie da gewesene Herausforderung“, sagt er, „und es bedarf ganz ohne Zweifel echter und authentischer Macher, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Wer die Erosion des klassischen Einzelhandels nicht nur beklagen will, der braucht frische Ideen, der braucht Mut und Tatkraft“, so Hutter weiter. „Eines hat die Digitalisierung bisher gezeigt: Nicht jeder wird Online-Händler werden können und auch nicht müssen! Jedoch müssen sich wirklich alle mit der Thematik auseinandersetzen.“