Der baden-württembergische Einzelhandel wird das Jahr mit einem leichten Plus von 1,5 Prozent (nominal) (real 0 %) gegenüber 2017 abschließen, schätzt der Handelsverband nach einer aktuellen Umfrage unter seinen Mitgliedsunternehmen. Dazu beitragen soll auch ein ordentliches Weihnachtsgeschäft – für das dank guter Beschäftigung mit entsprechenden Einkommen, einer geringen Sparquote und einer hohen Anschaffungsneigung der Verbraucher die Vorzeichen gut stehen. Zu schaffen machen den Handelsunternehmen der deutliche Frequenzrückgang in den Innenstädten, zunehmende Belastungen für den Mittelstand und der Fachkräftemangel in dieser besonders beschäftigungsintensiven Branche.
Von Januar bis August hat der Südwesten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein leichtes Umsatzplus von nominal 2,5 Prozent (real + 0,8 %) erreicht (Quelle: Stat. Landesamt). Dabei liegt er erneut hinter dem Bundesdurchschnitt. Das Statistische Bundesamt meldet für den gleichen Zeitraum im Bund einen Umsatzzuwachs von 3,0 Prozent (nominal) bzw. + 1,4 % real. Nach den umsatzschwachen Monaten September und Oktober hoffen die baden-württembergischen Händler auf einen starken Jahresendspurt.
Umfrage des Handelsverbands zur Situation der Händler im Land
Laut der Umfrage rechnen drei von vier Händlern mit einem gleichbleibenden (40,9 %) oder besseren (33,9 %) Umsatz im 2. Halbjahr 2018. Im ersten Halbjahr hatte nur insgesamt knapp die Hälfte der Befragten von gleichbleibenden (22,8 %) oder besseren (26,0 %) Umsätzen berichtet. Umsatzgewinner mit einem geschätzten Plus von 10 Prozent wird auch 2018 der Onlinehandel sein. Zu diesem starken Geschäft tragen übrigens auch die Marktplatzangebote der Händler mit „stationärer DNA“ bei. Das zeigt, dass viele Händler die Chancen der Digitalisierung und des veränderten Käuferverhaltens für sich nutzen. Impulse wird hierzu auch der neue Ausbildungsberuf Kauffrau/mann E-Commerce bringen, den in diesem Herbst bundesweit bereits 1.000 junge Menschen gewählt haben.
Top-Themen, die den Einzelhandel stark fordern
Das Thema Frequenzrückgang beschäftigt die Branche derzeit am meisten – das zeigt sich auch in der Umfrage des Handelsverbands Baden-Württemberg unter mehr als 300 Mitgliedsunternehmen aller Branchen und Betriebsgrößen, die HBW-Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann den Medien vorstellte. Die Tabelle zeigt, wie sich die Wichtigkeit der Themen für den Einzelhandel von 2018 zu 2017 verändert hat, wobei Mehrfachnennungen möglich waren und die Liste mehr als 20 Themen zur Auswahl ließ.
2018 |
2017 |
TOP 1: 56 % Frequenzrückgang TOP 2: 50 % Belastung Mittelstand TOP 3: 44 % Fachkräftemangel TOP 4: 41 % Kaufzurückhaltung TOP 5: 41 % Wettbewerbsdruck |
TOP 1: 44 % Wettbewerbsdruck TOP 2: 43 % e-Business TOP 3: 40 % Attraktivitätsverlust Innenstadt TOP 4: 39 % Kaufzurückhaltung TOP 5: 38 % Belastung Mittelstand |
„Angesichts dieser alarmierenden Wahrnehmung des enormen Frequenzrückgangs in den Innenstädten fordern wir sofortige große Anstrengungen der Kommunen und des Landes, mehr für attraktive, lebendige und sichere Innenstädte im Südwesten zu tun“, sagte der Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg, Hermann Hutter, am Freitag in Stuttgart. Zugleich sei der im September vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium gestartete Zukunftsdialog „Handel 2030“ mit maßgeblicher Beteiligung des Handelsverbands und anderer Organisationen ein wichtiges erstes Signal zur Unterstützung des Einzelhandels bei Themen wie Digitalisierung, Fachkräfte oder Innenstädte, dem allerdings konkrete Unterstützungsmaßnahmen folgen müssten.
Handelsverband fordert Verschiebung der Fahrverbote um mindestens ein Jahr
Die noch nicht abschließend konkretisierten Ergebnisse des späten Dieselgipfels zur Vermeidung von Fahrverboten Anfang Oktober sei begrüßenswert, aber leider noch nicht ganz zu Ende gedacht. Dennoch könne die Umsetzung der Gipfelbeschlüsse dazu führen, dass die Luftwerte sich schnell verbessern. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit müssten daher die Luftreinhaltepläne neu überarbeitet und die Fahrverbote im Lichte des Grundgesetzes um mindestens ein Jahr verschoben werden, so die Forderung des Handelsverbandspräsidenten Hutter. Zur Verbesserung der Situation in den Cities zähle auch eine leichte Erreichbarkeit, ein fließender Besucher- und Liefer-Verkehr sowie Parkmöglichkeiten, um Einkäufe einfach und bequem zu erledigen, gerade jetzt im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft.
Innenstädte als lebendigen Mittelpunkt der Gesellschaft stärken!
Dies betonte auch Martin Benzing, Inhaber von Merz & Benzing in der Stuttgarter City. Neben den vielen Demonstrationen (1.400 allein in 2018) bezeichnete er vor allem das regelmäßige Verkehrschaos zusammen mit der ungenügenden Parkleitführung und dem fehlenden Verkehrsleitsystem als enorme Kaufbremse. Immer wieder sorgten seiner Ansicht nach solche Widrigkeiten dafür, dass dies gerade bei inhabergeführten Geschäften, die die wahren Schätze der Innenstädte seien, zu Umsatzrückgängen führe. Dabei hätten mittelständische Unternehmen derzeit genügend eigene Investitionen zu stemmen – vom digitalen Wandel über gutes Fachpersonal bis hin zu bürokratischen Belastungen.
Allein die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung hat den Einzelhandel bundesweit knapp fünf Monate nach Einführung rund 630 Millionen Euro gekostet, so eine aktuelle Erhebung des Handelsverbands Deutschland. Besonders teuer ist dabei demnach die Umsetzung der vorgesehenen Informationspflichten, deren Nutzen für den Verbraucher allein aufgrund des notwendigen Lese-Umfangs mehr als fragwürdig ist. Auch die Tatsache, dass bei den Kosten für die Energiewende viele große Industrieunternehmen von Kosten befreit seien, Verbraucher und Handel aber völlig überproportional zur Kasse gebeten werden, belaste den mittelständischen Einzelhandel sehr, so HGF-Hagmann. Und dass nun auch noch auf EU-Ebene Bemühungen laufen, genossenschaftlich geprägte Strukturen im LEH zu vernichten, sei ein Vollangriff gegen den mittelständischen Lebensmittelhandel und einfach nicht mehr zu glauben. Allmählich habe man den Eindruck, Teile der Politik wollten gezielt dem Mittelstand den Garaus bereiten, so Hagmann.
Weihnachtsgeschäft mit guten Vorzeichen
Die gute Konjunktur in Deutschland und die anhaltend stabile Verbraucherstimmung lassen den Einzelhandel optimistisch aufs Weihnachtsgeschäft blicken. „Wir hoffen hier auf ein kleines Plus zum Vorjahr“, so Präsident Hermann Hutter. Der stationäre Handel macht knapp 20 Prozent seines Jahresumsatzes in den beiden Monaten November und Dezember (dieser Zeitraum wird als Weihnachtsgeschäft bezeichnet). Seit Jahren ansteigend ist der Anteil an Gutscheinen, die vor dem Fest in den Geschäften gekauft werden. Geschenkgutscheine machen mittlerweile rund ein Viertel des Schenkwertes auf den Gabentellern aus, was auch zwischen den Jahren und der ersten Januarwoche für eine gute Besucherfrequenz sorgt.