„Bürokratie verursacht einen hohen Personal- und damit verbunden natürlich auch einen hohen Kostenaufwand. Viele Handelsunternehmen stehen aufgrund der vergangenen 30 Monate mit Corona und explodierenden Kosten mit dem Rücken an der Wand und können weitere Belastungen kaum noch wegstecken. Zudem fehlt auch im Handel Personal, das während der staatlich angeordneten Zwangsschließungen in der Coronazeit abgewandert ist. Statt weitere bürokratischer Hürden aufzubauen, muss der Staat unternehmen entlasten“, sagte Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg (HBW).
Exemplarisch nennt der Handelsverband Baden-Württemberg (HBW) die Umsetzung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zur Arbeitszeiterfassung, wonach der Arbeitgeber verpflichtet wird, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, obwohl eine Konkretisierung des Bundesgesetzes dazu (noch) nicht vorliegt. Aufgrund der zahlreichen Unklarheiten laufen Unternehmen die Gefahr, neue, fehlerhafte Systeme und Prozesse einzuführen, die, sobald das Gesetz vorliegt, wieder aufwändig rückabgewickelt werden müssen.
Vor allem für den Mittelstand ist, wie auch das Beispiel der Arbeitszeiterfassung, die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (EAU) eine erhebliche Belastung. Weder Arztpraxen noch kleinere Krankenkassen sind auf das Verfahren eingestellt. Künftig müssen zudem seitens des Arbeitgebers aufwändige Prozesse aufgesetzt werden, um die notwendige Information zur AO zu bekommen. Vor allem bei Minijobber wird der Abruf der Daten bei der zuständigen Kassen Krankenkasse fast unmöglich, da der Arbeitgeber mit den Minijobzentralen kommuniziert und die zuständige Krankenkasse des Arbeitnehmers auf Minijob-Basis gar nicht kennt.
Auch das Nachweisgesetz ist und bleibt eine wesentliche Belastung für Unternehmen. Insbesondere das Festhalten am Schriftformerfordernis und die Einführung eines hohen Bußgeldes für Verstehstöße dagegen werden zu erheblichen Belastungen gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen führen. Insofern ist völlig unverständlich, dass Unternehmen im digitalen Zeitalter handschriftlich unterzeichnete Arbeitsverträge abschließen und diese in Archiven vorhalten müssen. Die fehlenden digitalen Möglichkeiten sind ein Anachronismus und eine große, unnötige bürokratische Belastung.
„Die Beispiele zeigen gut, dass auch im neuen Jahr trotz massiv gestiegener Gesamtkosten weitere zusätzliche Belastungen auf den Handel zukommen. Wir fordern daher unverzüglich ein Belastungsmoratorium für die mittelständische Wirtschaft und den Einzelhandel in Baden-Württemberg“, so Hagmann.
Außerdem fordert der Handelsverband Baden-Württemberg, dass auch bestehende Regelungen auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft werden. Beispielhaft kann hier das Instrument der Stellplatzablöse genannt werden. Die Stellplatzablöse muss bei einem Neubau entrichtet werden, sollte dieser einen Stellplatzbedarf auslösen, der selbst nicht gedeckt werden kann. Mit dem Geld sollen also an einem anderen Platz neue Stellplätze finanziert werden. Gleichzeitig verschwinden aber immer mehr Parkplätze im öffentlichen Raum, für die kurz zuvor noch Stellplatzablöse bezahlt wurden, neue Parkplätze werden in der Regel sowieso nicht geschaffen, sondern vielmehr der Individualverkehr sukzessive aus den Städten verbannt. Dies hat zur Folge, dass die Innenstädte immer schwerer zu erreichen sind. Die Stellplatzablöse hat dadurch ihre Berechtigung verloren. Die Gelder könnten seitens der Unternehmen besser in oft dringend notwendige, wichtige Projekte investiert werden, die für Innenstadtbelebung sorgen und damit das Überleben eines attraktiven Innenstadteinzelhandels fördern. Auch die Genehmigungsverfahren müssen dringend beschleunigt werden, damit Händlerinnen und Händler bei ihrer Zukunftsplanung schnellstmöglich Planungssicherheit haben.
„Die Stellplatzablöse ist ein gutes Beispiel, wie bestehende Gesetze Unternehmens- oder Quartiersentwicklung torpedieren können, worunter unsere Städte und der stationäre Einzelhandel leiden. Wir sind deshalb der Meinung, dass auch die bestehenden Gesetze auf Herz und Nieren geprüft werden und man beispielsweise in Modellkommunen eine Art Reallabor durchführt und schaut, was eine befristete Aussetzung solcher Gesetze bewirken kann. Außerdem wären wir dafür, Genehmigungen automatisch zu erteilen, sollte die ausstellende Behörde nicht in einer gewissen Frist auf den Antrag reagieren. Dies würde für schnellere Planungssicherheit sorgen“, sagte Hagmann abschließend.