Die Gewerkschaft ver.di fordert eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 4,5 Prozent plus 45 €, was zu tatsächlichen Kostensteigerungen von deutlich über 6 Prozent führen würde. Zudem sollen die Kosten der Ausbildung mit einer Anhebung der Ausbildungsvergütungen um monatlich 100 € kräftig verteuert werden. In Ergänzung zum ohnehin geltenden gesetzlichen Mindestlohn soll es einen zusätzlichen „tariflichen“ Mindestlohn von 12,50 € geben, was im ungelernten Bereich Arbeitsplätze gefährdet und geringqualifizierten Menschen den Einstieg ins Berufsleben erschwert.
Die Forderung nach einer Erhöhung der monatlichen tariflichen Sozialzulage auf 25 € bzw. 35 € komplettiert das unverantwortliche Forderungspaket. Selbst die vielen in Existenznot geratenen Unternehmen sollen aber wohl nicht wirklich geschont werden, denn ver.di fordert zudem noch eine tarifliche Aufstockung des Kurzarbeitergelds auf 100 Prozent des Nettoverdienstes. Das bedeutet im Ergebnis, Bleigewichte an den Rettungsring zu hängen. Zuletzt soll das gesamte kräftig verteuerte Tarifwerk für die gesamte Branche über eine sogenannte Allgemeinverbindlichkeit verpflichtend werden.
Eine Aussage, wie das die zum Teil in nackter Existenznot befindlichen Einzelhändler erwirtschaften sollen, findet sich in den gewerkschaftlichen Überlegungen nicht. Der Einzelhandel befindet sich aufgrund der Pandemie in einer historischen Herausforderung Insbesondere aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation handelt es sich hierbei unserer Ansicht nach um völlig überzogene Forderungen, die der aktuellen wirtschaftlichen Lage im Einzelhandel in keiner Weise Rechnung tragen. Denn anders als die Gewerkschaft meint, setzt der Einzelhandels-Tarifvertrag den Branchenmaßstab – auch für viele mittelständische Unternehmen, die sich zwar nicht der Gewerkschaft, aber ihren Mitarbeitern gegenüber an die tariflichen Vergütungen gebunden haben.
Viele unserer Nichtlebensmittel-Händler waren seit Beginn der Pandemie im letzten Jahr bis zum jetzigen Zeitpunkt bis zu 6 Monate zwangsgeschlossen. Auch die Umsätze zwischen den Lockdowns waren teilweise durch hohe Umsatzrückgänge gekennzeichnet.
Diese Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand. Bei ihnen geht es ums Überleben und die Rettung tausender von Arbeitsplätzen. Und auch weiterhin ist noch längst nicht absehbar, wann sich diese schwierige Situation nachhaltig bessern wird und wann eine Wiedereröffnung aller Handelsunternehmen wieder gestattet und wann, auch abhängig von der Wiedereröffnung der Gastronomie in den Innenstädten, ein Wiederanknüpfen an bisherige Umsätze realistisch ist.
Im Gegenteil, durch neue Virus-Mutationen ist sogar eine Verschlechterung der aktuellen Lage durchaus möglich, trotz fortschreitender Impfquote. Viele der vom Lockdown betroffenen Handelsunternehmen sind wirtschaftlich mittlerweile in eine nahezu ausweglose Situation geraten. In einer aktuellen HDE-Umfrage gaben knapp die Hälfte der vom Lockdown betroffenen Einzelhändler an, ohne weitere staatliche Unterstützung das laufende Jahr nicht überstehen zu können. In dieser neuen Tarifrunde handelt es sich daher um eine wahrlich historische Herausforderung für die Branche, die es so ganz sicher noch nie gegeben hat.
Es lastet daher eine immense Verantwortung auf beiden Seiten der Sozialpartnerschaft. Es ist allerdings fraglich, ob sich die Gewerkschaft der Dramatik der Lage in vollem Umfang bewusst ist. Die diesjährigen Entgeltforderungen bilden dies jedenfalls in der Höhe der Forderungen nicht ab. Aus unserer Sicht muss das Ziel aller für die Branche Verantwortlichen sein, einen Flächentarifvertrag zu verhandeln und fortzuführen, den es als Errungenschaft zu bewahren gilt und der auch für alle Unternehmen der Branche tragbar ist.
Info für die Medien: Nach Verhandlungsschluss am Mittwoch stehen Ihnen der Vorsitzende der Tarifkommission, Dr. Philip Merten, Telefon 0151 55121940 sowie die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands, Sabine Hagmann, Telefon 0163 7486420, für Auskünfte und O-Töne zur Verfügung.