Der Handelsverband übergab die Auswertung der Verbandsumfrage in einem Vor-Ort-Termin mit Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut in den Traditionshäusern Tritschler am Markt und Breuninger, bei dem sich die Ministerin einen eigenen Eindruck über die Situation im Handel verschaffte. Dabei konnte sie sich davon überzeugen, dass der Handel vor Ort die Hygienemaßnahmen vorbildlich umsetzt.
Auch laut der Umfrage werden alle Hygieneauflagen vom Handel streng beachtet und ausgeführt. „Für alle Unternehmen steht der Schutz ihrer Mitarbeiter und Kunden an allerhöchster Stelle“, so Verbandspräsident Hermann Hutter. 70 Prozent der Unternehmen hatten angegeben, das über die Anforderungen hinausgehende Hygienekonzept des Verbandes umzusetzen. Es sei jedoch zu beobachten, dass seit Einführung der Maskenpflicht verstärkt für die Einhaltung der Abstandsregelung sowie der Zugangsregelung geworben werden müsse. Viele Kunden haben wohl jetzt den Eindruck, die Maskenpflicht würde ausreichen. Dies beschwöre wieder erneute Diskussionen herauf, die vom Handel zugunsten des allgemeinen Gesundheitsschutzes geführt werden müssten.
Zwar gab eine deutliche Mehrheit (77 Prozent) der Befragten an, dass ihre Kunden verständnisvoll auf die Maskenpflicht reagierten. Allerdings gebe es immer noch viele, die schriftlich oder mündlich teils beleidigende Kritik an Unternehmer und Personal wegen der grundsätzlichen Maskenpflicht richteten.
Viele Händler beklagten in der Umfrage, dass aufgrund der Maskenpflicht weniger Kunden als sonst üblich ihre Geschäfte besuchten – oder sich naturgemäß kürzer dort aufhielten, was Spontankäufe verhindere. Zahlreiche Kunden – vor allem ältere und Brillenträger – fühlen sich durch die Gesichtsmaske extrem gestört oder würden Atemnot bekommen, meldeten Händler in der Umfrage. Auch werde der Dialog erschwert, es käme zu Kommunikationsschwierigkeiten und Missverständnissen. „Die ganz große Mehrheit der Kunden hält sich aber an die Maskenpflicht“, sagte HBW-Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann, „auch wenn die neue Regelung generell als eher unnötig und lästig beschrieben wird.“
Vor allem in der Textilbranche – die unter den Zwangsschließungen extrem zu leiden hatte – fühlten sich viele Kunden gehemmt oder würden das Geschäft ohne Einkäufe verlassen, da Anproben und Auswahl von Kleidern erschwert seien und wenig Einkaufserlebnis erzeugten. „Die Geschäfteinhaber haben die Erfahrung gemacht, dass der Kundenkontakt unter dem Eindruck der Maskenpflicht generell schwieriger geworden ist“, sagte Hagmann.
Auf Mitarbeiter-Seite führt das Tragen von Masken zu erheblich größeren Problemen und Kritikpunkten. So erschwere die Maskenpflicht den Mitarbeitern die Arbeit – vor allem bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten wie Regale einräumen, Kommissionieren und vielem mehr.
Wie der Umfrage zu entnehmen ist, schützen viele Händler ihre Mitarbeiter mit Plexiglasscheiben, die von den Mitarbeitern noch am besten angenommen würden, allerdings nicht überall im Verkaufsraum möglich sind. Einige Befragte gaben zudem an, dass sich seit der Mundschutzpflicht vermehrt Mitarbeiter krankmelden, da diese häufig unter Atemnot und starken Kopfschmerzen, Schwindel und Verspannungen leiden.
Handelsverband: Hygienemaßnahmen für Mitarbeiter erleichtern, ohne Kunden zu gefährden
„Vor dem Hintergrund dieser alarmierenden Zahlen muss unbedingt darüber nachgedacht werden, ob eine Maskenschutzpflicht für die Mitarbeiter im Handel wirklich nötig ist und ob der Gesundheitsschutz aller Beteiligten, der uns sehr am Herzen liegt, auch auf andere, aber für die Beteiligten weniger belastende Art und Weise garantiert werden kann“, betonte Hagmann. So gebe es in vielen Bundesländern für Mitarbeiter keine Pflicht, sondern nur eine Empfehlung zum Tragen von Masken. Auch sei es unverhältnismäßig, auf eine Pflicht zum Tragen von Masken zu bestehen, wenn keine Kunden im Geschäft seien oder der Verkäufer keinen unmittelbaren Kundenkontakt habe. Auch das sei in anderen Bundesländern besser und alltagstauglicher geregelt. Auch das Tragen von face-Schildern, die in anderen Bundesländern (z.B. in Rheinland-Pfalz) zulässig seien, müsse zur Entlastung der Mitarbeiter möglich sein. Insgesamt gilt, so Hagmann, dass alle Hygienemaßnahmen, soweit sie so stark in das körperliche Wohlbefinden von Mitarbeitern eingreifen, ständig an die abnehmenden und regional sehr unterschiedlichen Infektionszahlen angepasst werden müssten.
Der Infektionsschutz der Bevölkerung im Einzelhandel sei von der Anfangszeit der Corona-Krise bis heute immer gewährleistet gewesen. „Der Einkauf vor Ort ist und bleibt gesundheitlich bedenkenlos. Der Schutz von Kunden und Mitarbeitern und Bevölkerung steht bei allem an aller erster Stelle“, unterstreicht auch HBW-Präsident Hermann Hutter.
Allergrößte Sorgen bereitet dem Verband allerdings auch, dass die Hälfte der befragten Händler mit dem Aus ihres Geschäfts rechnet – verursacht durch die immensen finanziellen Belastungen durch die Corona-Krise.
„Das sind katastrophale, höchst besorgniserregende Zahlen, die die Politik aufrütteln müssen!“, so Verbandspräsident Hutter. Wenn sich diese Zahlen bewahrheiten und 50 % der Händler nächstes oder übernächstes Jahr nicht mehr am Markt sein sollten, dann hat nicht nur der Einzelhandel, sondern dann haben Staat, Kommunen, Städte, Wirtschaft und die Gesellschaft ein riesengroßes Problem. Damit sind rund 20.000 Handelsgeschäfte mit knapp 200.000 Arbeitsplätzen in Baden-Württemberg akut gefährdet. Und mit den Geschäften steht die Attraktivität der Innenstädte mit allen negativen Effekten auch auf die übrige Wirtschaft massiv auf dem Prüfstand, so Hutter.
Branche braucht dringend Unterstützung: Zukunft von 20.000 Geschäften steht auf dem Spiel.
„Nun muss ein ganzes Maßnahmenpaket für unsere Branche und viele andere vom Lockdown Betroffene erarbeitet werden. Das müssten neben den Grenzöffnungen und Bürokratieabbau auch befristete Steuererleichterungen sowie Programme zur kurz- und mittelfristigen Förderung der Konsumbranchen sein. Über Hilfen und Entschädigungen für den Handel zum Ausgleich der Schäden, insbesondere den Umsatzeinbrüchen von 100 Prozent während der Zwangsschließungen und 70 bis 80 Prozent nach Wiedereröffnung - bei gleichbleibenden oder teils sogar höheren Kosten -, müssen wir uns ebenfalls schnellstens konkret unterhalten“, betonte Hagmann.
Seit Wochen fordert der Verband einen staatlichen Entschädigungsfonds neben sonstigen Maßnahmen für den durch die Corona-Krise schwer getroffenen Einzelhandel. In einem Brief an die Landesregierung hatte er dringend gefordert, eine staatliche Garantie für eine Entschädigungsleistung für den eingetretenen Schaden auch für den zwangsgeschlossenen Einzelhandel auszurufen.
Vorbild ist ein Nothilfefonds für die Gastronomie. Damit sollen konkret drohende Insolvenzen verhindert und Strukturen bewahrt werden. Das begrüßt und unterstützt der Handel ausdrücklich, der dieselben Strukturen wie die Gastronomie hat und der zusammen mit der Gastronomie und der Kultur die Attraktivität der Innenstädte ausmacht. „Genau dieselbe Situation besteht im Einzelhandel“, schrieb der Verband, „auch hier stehen viele Tausende von mittelständischen Unternehmen, die in den letzten Monaten zwangsgeschlossen waren und daher keinen Umsatz, aber erhebliche laufende Kosten und Ausgaben hatten, vor dem Ende ihrer Existenz. Auch die nächsten Monate werden geprägt sein von den Corona-bedingten Einschränkungen und von niedrigen Umsätzen im gesamten Non-Food Einzelhandel. So erwartet beispielsweise der Textileinzelhandel durchschnittliche Umsatzverluste von über 50 Prozent für das gesamte Jahr 2020.
„Die Politik in Baden-Württemberg hat aus unserer Sicht und auch in der Bewertung der befragten Händler eine sehr gute Arbeit geleistet. Die Pandemie konnte unter großem Beitrag der zwangsgeschlossenen Handelsunternehmen in Griff gehalten werden. Jetzt geht es aber darum, die Schäden bei diesen Unternehmen wieder gemeinsam zu beseitigen oder zumindest abzumildern, um ein Überleben zu ermöglichen. Wenn man Tausende Insolvenzen im mittelstandsgeprägten und hier verwurzelten Einzelhandel verhindern möchte, muss jetzt mit den Hilfsmaßnahmen in großem Umfang weitergemacht werden“, so Hutter und Hagmann in ihrem Schlussappell.